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Leichttraben

Entlastung des Reiters oder des Pferdes

 

Heutzutage ist das Leichttraben (auch "Englisch Traben" genannt) die allgegenwärtige Basisarbeit in fast jedem Reitstall – vom Anfängerunterricht bis zum Abreiteplatz im Grand Prix. Im scharfen Kontrast dazu fand es in der ursprünglichen Klassischen Reitkunst fast keine Anwendung. Die alten Meister strebten danach, durch einen geschmeidigen, tiefen Sitz in völliger Harmonie mit der Bewegung des Pferdes zu verschmelzen – ein Ideal, das heute oft durch mangelnde Losgelassenheit, Zeitdruck und Ausbildungsdefizite in Vergessenheit geraten ist.

Der unreflektierte Einsatz dieser Technik erfordert jedoch eine kritische Betrachtung. Dient sie wirklich dem Pferd, oder ist sie eine Kompensation für reiterliche und pferdephysiologische Defizite?
 

Historie

Um das Leichttraben zu verstehen, muss man wissen, dass es keine Erfindung der Reitkunst ist.

Der Begriff "englischer Trab" verrät die Herkunft. Die Technik stammt aus England, genauer gesagt aus der Jagdreiterei und von den Postreitern. Diese mussten oft stundenlang in hohem Tempo über unebenes Gelände traben. Das Ziel war rein pragmatisch, Energieersparnis für den Reiter und auch unerfahrene Reiter konnten längere Strecken zurücklegen. Das ständige Aussitzen auf langen Strecken war ermüdend. Das Aufstehen ermöglichte es dem Reiter, Stoßbelastungen in den eigenen Gelenken abzufedern.

Im 19. Jahrhundert übernahm die kontinentale Kavallerie diese Technik. Auch hier ging es um Effizienz bei Truppenbewegungen, nicht um die gymnastische Veredelung des Pferdes.

Heute wird das Leichttraben oft ausschließlich verwendet, weil viele Reiter ihre Pferde nicht mehr aussitzen können. Ein Pferd, das hinter der Senkrechten geritten wird, den Rücken wegdrückt oder bereits unter Trageerschöpfung leidet, kann den Reiter nicht weich sitzen lassen. Der Rücken schwingt nicht, sondern ist fest wie ein Brett. Der Reiter wird hart geworfen. Anstatt das Pferd korrekt über den Rücken zu lösen (was das Aussitzen bequem machen würde), weicht der Reiter ins Leichttraben aus, um den harten Stößen zu entgehen. Es wird zur "Krücke" für mangelnde Losgelassenheit.
 

Warum Leichttraben das Pferd NICHT entlastet

Es hält sich hartnäckig der Irrglaube, Leichttraben sei "pferdeschonend". Physikalisch betrachtet ist das Gegenteil der Fall. Wir müssen hier zwei kritische Phasen unterscheiden:

1. Die Phase des Aufstehens

Viele Reiter glauben, wenn sie aufstehen, entlasten sie das Pferd. Das ist physikalisch falsch.

Um den eigenen Körper gegen die Schwerkraft aus dem Sattel zu heben, benötigt der Reiter Kraft. Er muss sich aktiv abdrücken. Da er sich nicht an der Luft abdrücken kann, drückt er sich über die Steigbügel ab.

Stell dir vor, du stehst auf einer Personenwaage. Wenn du dich schnell aus der Hocke aufrichtest, zeigt die Nadel kurzzeitig deutlich mehr als dein eigentliches Körpergewicht an. Das ist die Beschleunigungskraft (Kraft = Masse x Beschleunigung).

Dieser massive, punktuelle Druck wird über die Steigbügelaufhängung direkt auf den Sattelbaum und damit auf die empfindliche Muskulatur übertragen. Das Pferd erhält bei jedem "Aufstehen" einen Druckimpuls in den Rücken, der höher ist als das statische Gewicht des Reiters.

2. Die Phase des Hinsetzens

Das größte Problem entsteht beim Zurückkehren in den Sattel.

Der Reiter "fällt" zurück in den Sattel. Hier addieren sich das Körpergewicht und die Fallgeschwindigkeit zu einer harten dynamischen Stoßbelastung.

Dieser Schlag trifft den Pferderücken rhythmisch bei jedem zweiten Schritt. Ist der Rücken des Pferdes dabei nicht aufgewölbt (sondern weggedrückt),kann keine muskuläre Dämpfung stattfinden. Dies führt langfristig zu Verspannungen und mikroskopischen Traumata im Gewebe.

 

Der "richtige Fuß"

Jeder Reitschüler lernt: "Trab auf dem äußeren Vorderbein leicht!" – Begründung: Das entlastet das innere Hinterbein in der Kurve. Das ist biomechanisch nicht korrekt.

Warum ist die Entlastungs-Theorie falsch. Im Trab bewegen sich zwar die Beine diagonal, aber der Reiter sitzt nicht direkt auf den Beinen, sondern auf dem Sattel. Der Sattel liegt auf dem Rücken, der wie eine Brücke zwischen Vor- und Hinterhand gespannt ist. Das Gewicht des Reiters wirkt also zentral auf diese Brücke (den Rumpf). Es ist daher ein Trugschluss zu glauben, dass man durch das Leichttraben auf einem bestimmten Fuß ein Beinpaar komplett "entlastet", da der Rumpf die Last trotzdem tragen muss.

In einer Wendung muss das innere Hinterbein physikalisch bedingt mehr Last aufnehmen und den Körper stützen (wie ein Pfeiler), während das äußere Hinterbein mehr Weg machen muss. Ob der Reiter dabei gerade aufsteht oder sitzt, ändert nichts an der Fliehkraft, die auf das Pferd wirkt.

 

Leichttraben als aktives Trainingstool

Der Wechsel des Fußes ist nicht zur Entlastung da, sondern zur Aktivierung. Wir können das Einsitzen nutzen, um den Takt und den Schub zu beeinflussen:

  • Wenn der Reiter einsitzt, übt er einen kurzen Impuls auf den Pferderumpf aus. Erfolgt dieses Einsitzen genau in dem Moment, in dem ein Hinterbein abfußt und nach vorne schwingt, kann dieser Impuls das Bein animieren, weiter unter den Schwerpunkt zu greifen. Dieses gezielte Einsitzen ist keine Dauerlösung! Es dient lediglich als kurze, gezielte Korrektur, um ein schwächeres Hinterbein (egal ob es gerade das äußere oder innere ist), das zum Schleifen oder Kürzertreten neigt, zu aktivieren. Der Reiter kann somit ein Ungleichgewicht in der Schubkraft oder der Aktivität des Hinterbeins beheben, bevor er wieder ins Aussitzen wechselt (welches das eigentliche Ausbildungsziel ist).

  • Da wir Menschen meist schief sind und beim Einsitzen immer etwas mehr Druck auf eine Seite bringen (z.B. durch eine schiefe Hüfte), ist der regelmäßige Fußwechsel (und Handwechsel) essenziell. Nicht um das Bein zu schonen, sondern um zu verhindern, dass der Rücken einseitig belastet oder abgenutzt wird.

 

Wie entlaste ich das Pferd wirklich?

Wenn das Ziel "Pferdeschonung bzw. -entlastung" ist, muss die Technik des Leichttrabens angepasst oder ersetzt werden.

1. Der Leichte Sitz (Remonten-Sitz)

Dies ist die einzig wahre Entlastung. Der Reiter nimmt das Gesäß dauerhaft leicht aus dem Sattel (wie es vom Galopp bekannt ist), kippt den Oberkörper minimal aus der Hüfte nach vorne und balanciert sein Gewicht federnd über Knie und Absatz aus.

Der Vorteil, die Last ist konstant. Es gibt keine Lastspitzen durch Aufstehen und keinen Stoßbelastung durch das Hinsetzen. Der Pferderücken ist "frei" und kann unter dem Reiter durchschwingen.

2. Das "minimale" Leichttraben

Soll leichtgetrabt werden (z.B. um den Rhythmus vorzugeben), darf dies niemals kraftvoll geschehen. Der Reiter steht nicht aktiv auf, er lässt sich stattdessen vom Schwung des Pferdes (dem "Wurf" des Trabs) nur so weit anheben, wie das Pferd ihn "wirft". Das Gesäß verlässt den Sattel nur wenige Millimeter – gerade so, dass man ein Blatt Papier dazwischen herausziehen könnte.

Da der Reiter sich nicht aktiv über den Bügel hochdrückt, wird die schädliche Druckspitze minimiert. Das "Hinsetzen" wird zu einem sanften Auffangen der Bewegung.

 

Leichttraben ist ein wertvolles Tool zur Entlastung des Reiters, das, wenn es bewusst eingesetzt wird (minimales Aufstehen, aktiver Impuls), sogar gymnastizierend wirken kann. Dennoch bleibt das oberste und ursprüngliche Ziel der Reitkunst, wie es die alten Meister lehrten, immer das Aussitzen eines in sich losgelassenen und korrekt gymnastizierten Pferdes. Das Leichttraben darf niemals als Dauerlösung zur Kompensation eines festen Rückens dienen. Stattdessen sollten die Reiter immer danach streben, ihr Pferd so zu arbeiten, dass der Rücken aufwölbt und die Schwingungen des Trabs weich aufgenommen werden – denn nur dann ist der tief sitzende, ruhige Reiter in voller Harmonie mit seinem gesunden Pferd.

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