
Verwendung von Hilfszügel
Zwang statt Gymnastik
Hilfszügel sind mechanische Werkzeuge (wie Schlaufzügel, Ausbinder etc.), die primär dazu dienen, die Haltung von Kopf und Hals des Pferdes mechanisch zu fixieren oder zu limitieren. Sie greifen direkt oder indirekt in das Maul-Genick-System des Pferdes ein und sollen eine vermeintlich "korrekte" Haltung erzeugen. Sie werden oft aus Zeitmangel oder mangelndem reiterlichem Können eingesetzt, um schnell eine äußere Form zu erreichen.
Der entscheidende Unterschied:
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Korrekte Gymnastizierung (Basis der Ausbildungsskala) lehrt das Pferd, seinen Hals aktiv vom Widerrist aus aufzurichten und in Dehnungshaltung loszulassen.
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Hilfszügel erzwingen eine Haltung mechanisch, die lediglich die äußere Form imitiert.
Die Illusion der Abkürzung und ihre Folgen
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Der Pferdehals ist sein Balanceorgan. Starre Hilfszügel verhindern, dass das Pferd seinen Kopf und Hals zur Stabilisierung nutzen kann. Es ist gezwungen, das Gleichgewicht über eine starre Haltung zu finden, was zu Verkrampfungen in den Schultern und im Hals führt.
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Durch die Fixierung lernt das Pferd, sich gegen den Druck des Riemens zu stemmen. Das führt zum Aufbau von Unterhalsmuskulatur. Diese Muskeln drücken den Rücken des Pferdes nach unten. Die eigentlich gewünschte tragende Muskulatur bleibt inaktiv oder verspannt. Das Pferd wird in seiner Fähigkeit zur aktiven Trageleistung massiv behindert.
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Eine häufige, tierschutzrelevante Konsequenz ist, dass das Pferd dem Druck der Hilfszügel vollständig nachgibt, mit der Nasenlinie hinter die Senkrechte kommt und sich auf die Riemen "legt". Es benutzt die Hilfszügel als eine Stütze (ähnlich einer Krücke), anstatt sich selbst zu tragen. Diese Haltung zementiert die Fehlhaltung und verhindert jegliche Losgelassenheit, da die Pferde den Druck als Ersatz für Balance empfinden und der Kontakt zur Reiterhand unbrauchbar wird.
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Da das Pferd seinen Schwerpunkt nicht durch die Halsverstellung ausbalancieren kann und durch die mechanische Begrenzung oft den Rücken fest hält, fällt es verstärkt auf die Vorderhand. Dies verhindert das aktive Untertreten der Hinterhand, die aber für die Aufnahme des Reitergewichts essenziell ist. Die Folge ist eine Überlastung der Vordergliedmaßen und Gelenke.
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Schlaufzügel wirken als massiver Hebel, der direkt auf das Genick und die Unterkieferäste einwirkt. Der Reiter kann damit eine enorme Kraft ausüben, die schmerzhaft das Pferd in eine tiefe Haltung zieht. Hierbei handelt es sich um eine Zwangsvorrichtung, die die Schmerzgrenze des Pferdes ausnutzt und die Gefahr von Maulschäden (Läsionen, Druckstellen) massiv erhöht. Die erzwungene Haltung schaltet das korrekte Muskeltraining ab und zementiert die Trageerschöpfung.
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Pferde reagieren auf Schmerz oder Zwang mit Flucht nach vorne. Da dies die Hilfszügel verhindern, bleibt dem Pferd oft nur die Resignation oder Apathie. Das Pferd lernt, dass es dem Schmerz nicht entkommen kann. Das führt zu chronischem Stress und unterdrückten Abwehrmechanismen, was das Vertrauen in den Menschen zerstört.
Den wahren Grund erkennen
Der Einsatz von Hilfszügeln, der Schritte der Ausbildungsskala überspringt, indem er eine äußere Form erzwingt, gilt als Verstoß gegen die Prinzipien der klassischen Reitlehre und ist aus Tierschutzsicht abzulehnen.
Wenn ein Pferd ohne Hilfsmittel den Kopf hoch nimmt, sich festmacht oder den Rücken wegdrückt, liegt der Grund nie in einem Mangel an Zwangsmitteln. Die Haltung ist immer ein Symptom für ein tiefer liegendes Problem.
Es MUSS die Ursache des Fehlverhaltens gefunden werden. Das können z.B. ein nicht passender Sattel, Zahnprobleme, Schmerzen im Rücken- oder Gliedmaßenbereich, Reiterfehler (z.B. falsche Balance oder zu harte Hand), oder ein unpassender Trainingsplan sein.
Nur durch die Behebung der Ursache kann das Pferd körperlich und mental loslassen und lernen, den Reiter gesund zu tragen. Alles andere ist Symptombekämpfung, die das wahre Problem verschleiert und die Trageerschöpfung beschleunigt.
Die Tatsache, dass Hilfszügel überhaupt erlaubt sind, schafft eine Grauzone. Sie werden von Reitern oft als Abkürzung zur 'Anlehnung' missbraucht. Die Verbände erkennen damit indirekt an, dass der korrekte Weg der Ausbildung für viele Reiter zu schwer ist. Das Ergebnis ist ein Masseneinsatz von Hilfszügeln, der Tierschutzstandards fundamental verletzt, während Richter und Funktionäre diesen offensichtlichen Missbrauch nur selten konsequent ahnden. Solange der sportliche Erfolg über der tierschutzgerechten Ausbildung steht, bleiben Hilfszügel ein Symbol für Unwissenheit und Trainingsdefizite.
