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Hufeisen

Ein Relikt der Geschichte

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Der Hufeisenbeschlag ist eine der ältesten Traditionen im Umgang mit Pferden. Es ist wichtig, die historische Entstehung zu verstehen.

Hufeisen wurden in Europa primär aus einer historischen Notwendigkeit heraus entwickelt, die im Mittelalter und der frühen Neuzeit entstand. Die Pferde wurden über sehr weite Strecken auf gepflasterten Straßen und scharfkantigen Straßen eingesetzt – oft unter dem schweren Gewicht von Reiter oder Fuhrwerken.

Der Huf war diesen extremen, unnatürlichen Belastungen nicht gewachsen. Der natürliche Abrieb auf hartem Untergrund war deutlich höher als das Wachstum des Horns. Das Eisen diente als mechanische Barriere, um den Huf vor dem Durchlaufen zu schützen.
 

Die heutige Relevanz
Heutzutage werden Pferde fast nie mehr unter diesen extremen Bedingungen gehalten. Die meisten Pferde im Freizeit- oder Turniersport laufen auf Hallenböden, Sandplätzen oder weichen Waldböden. Das bedeutet, der Huf unterliegt in der Regel keinem so hohen Abrieb mehr, dass er schneller abgenutzt wird als er nachwachsen kann (mit seltenen Ausnahmen, z.B. bei extremen Distanz-, Kutsch- oder Arbeitspferden auf rauem Untergrund). Die ursprüngliche Begründung für das Eisen ist damit in der modernen Pferdehaltung weitgehend entfallen.

 

Biomechanische Nachteile

Der starre Eisenbeschlag behindert die natürliche Funktion des Hufes massiv:

  • Vibration: Der gesunde Barhuf wirkt stoßdämpfend. Das Hufeisen setzt den Hufmechanismus (das natürliche Weiten und Zusammenziehen des Hufes beim Auftreten) weitestgehend außer Kraft. Studien haben gezeigt, dass Eisen die auf das Bein wirkende Vibrationsenergie um ein Vielfaches erhöht (z.B. Weller et al., 2008).

  • Arthrose und Gelenkbelastung: Die erhöhte Vibrationsbelastung und die fehlende Stoßdämpfung werden als eine Hauptursache für degenerative Gelenkerkrankungen (Arthrose) im unteren Beinbereich (z.B. Hufgelenk) diskutiert. Die Schläge werden ungefiltert in die Gelenke geleitet, was den Verschleiß beschleunigt.

  • Schlechte Durchblutung: Der starre Beschlag schränkt den Hufmechanismus ein, was zu einer reduzierten Durchblutung und damit zu einer schlechteren Nährstoffversorgung und Hornqualität führen kann.

  • Rutschgefahr: Hufeisen bieten auf fast allen harten Untergründen (z.B. Asphalt, Beton, Pflastersteine) eine massive Rutschgefahr. Dies führt nicht nur zu akuten Stürzen, sondern auch zu chronischen Muskelverspannungen im gesamten Bewegungsapparat. Wenn das Pferd mit dem Eisen wegrutscht, muss es diese plötzliche, unkontrollierte Bewegung sofort durch eine reflexartige, massive Anspannung der Schulter-, Rücken- und Halsmuskulatur abfangen. Das ist vergleichbar damit, wenn wir auf einem glatten Untergrund wegrutschen und uns ruckartig den Rücken verreißen, um nicht zu fallen. Da dieser Rutscheffekt auf harten Wegen fast permanent auftritt, lebt das Pferd in ständiger Anspannung, was chronische Muskelverhärtungen und Fehlbelastungen verursacht.

 

Die gesunde Standardlösung

Der Barhuf ist für die meisten Pferde die physiologisch gesündere Lösung. Bevor ein Beschlag als notwendig erachtet wird, muss der Pferdehalter folgendes überdenken:

  • Der große Vorteil des Barhufs ist seine Anpassungsfähigkeit. Bei jedem Auftreten nutzt sich der Huf genau so ab, wie es dem individuellen Gangbild und der aktuellen Biomechanik des Pferdes entspricht. Wenn das Pferd aufgrund einer alten Verletzung oder einer angeborenen Asymmetrie das Bein leicht anders belastet, passt sich der Barhuf dieser Belastung an. Ein starrer Beschlag kann diese notwendige, individuelle Abnutzung verhindern und das Pferd zwingen, eine Fehlstellung beizubehalten, die dann zu Verspannungen in der Muskulatur und Problemen an Sehnen und Bändern führt.

  • Die Schlüssel zu harten, widerstandsfähigen Hufen liegt in der Ernährung. Eine hochwertige Mineralversorgung ist essenziell für gesunde Hornqualität.

  • Der Barhuf muss regelmäßig und fachgerecht von einem Barhufpfleger oder Huftechniker bearbeitet werden.

  • Die Umstellung auf Barhuf erfordert Geduld.

 

Umstellung von Beschlag auf Barhuf

Die Umstellung ist oft die größte Herausforderung. Während dieser Phase muss der Pferdehalter die volle Verantwortung für das Wohlbefinden des Pferdes übernehmen:

  • Nach dem Abnehmen der Eisen ist die Hornkapsel oft dünner. Das Pferd empfindet den Boden nun als sehr schmerzempfindlich – es tritt "fühlig" oder sogar lahm. Dieser Effekt entsteht, weil die Sohle bzw. die komplette Hufunterseite durch den Beschlag nicht an den Druck gewöhnt war. Die Schutzstrukturen (die „Hornhaut“) konnten sich entsprechend nicht so verdichten und abhärten, wie es bei einem gesunden Barhuf der Fall ist. Die Sohlen müssen sich nun langsam an die Bodenreize gewöhnen und die notwendige Härte aufbauen. Dieser Effekt kann Wochen bis Monate anhalten und ist eine normale Reaktion auf die wiedergewonnene Sensibilität.

  • Ein gesunder Huf wächst von der Krone bis zur Tragfläche in etwa neun bis zwölf Monaten komplett nach. Solange die gesamte alte, durch den Beschlag beeinflusste Hornkapsel nicht nachgewachsen ist, bleibt die Umstellung eine Herausforderung.

  • Um die Umstellung erfolgreich zu meistern, ist aktives Management nötig. Hufschuhe sind während dieser Phase ein unverzichtbares Hilfsmittel bei Ausritten oder bei Bedarf auf hartem, steinigem Untergrund. Sie bieten Schutz, ohne die Anpassung und den Mechanismus des Hufes zu beeinträchtigen.
     

Alternativen zum starren Eisenbeschlag

Ist der Barhuf im Reitalltag, insbesondere bei starker Belastung, nicht ausreichend, gibt es gesündere Alternativen:

  • Hufschuhe: Die beste Alternative für die meisten Freizeitpferde. Sie werden nur bei Bedarf angezogen und bieten Stoßdämpfung.

  • Klebebeschlag: Wenn ein permanenter Hufschutz aus orthopädischen Gründen oder extremer Belastung notwendig ist, kann auf Klebebeschlag (z.B. Goodsmith) zurückgegriffen werden. Diese Beschläge sind dämpfender und verhindern die Schäden durch Nagellöcher.
     

Das Hufeisen ist heute in vielen Fällen ein überholtes Relikt. Das Ziel muss immer der Barhuf sein, jeder Eingriff in die natürliche Hufmechanik sollte gut begründet und durch gesündere, dämpfende Alternativen ersetzt werden.

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