
Trageerschöpfung
Wenn der Rücken die Last nicht mehr tragen kann
Die Trageerschöpfung ist keine Krankheit, sondern ein Syndrom – ein Zustand massiver körperlicher Überforderung und Fehlbelastung, bei dem die zum Tragen notwendige Stützmuskulatur versagt. Die Folge ist, dass der Pferderücken durchhängt und die Last ungefiltert auf die Wirbelsäule wirkt.
Die Ursachen
Die Trageerschöpfung entsteht fast immer durch ein Zusammenspiel von Management-, Ausbildungs- und Materialfehlern. Die Hauptursache ist eine ständige Diskrepanz zwischen der geforderten Leistung und der tatsächlichen Tragfähigkeit des Pferdes.
1. Ausbildungsmängel und Biomechanik-Fehler
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Die Entwicklung der Tragkraft entsteht im langsamen, kontrollierten Tempo. Wird die Ausbildungsskala übersprungen, können die tragenden Muskeln nicht aufgebaut werden.
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Wir das Pferd hinter der Senkrechten geritten oder mit Hilfszügel gearbeitet, führt diese Zwangshaltung zum Absinken des Genicks und zur vermehrten Lastaufnahme der Vorhand. Das Pferd kann den Rücken nicht aufwölben, sondern drückt ihn weg.
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Das Pferd kann die Tragfähigkeit nicht im vollen Tempo entwickeln. Wird das Pferd ständig gehetzt oder zu lange in einem Tempo geritten, das es körperlich überfordert, ermüdet es schnell und lässt den Rücken fallen.
2. Ausrüstung und Reitergewicht
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Ein Sattel, der drückt, klemmt oder eine ungleichmäßige Druckverteilung aufweist, verursacht Schmerz. Das Pferd weicht dem Schmerz instinktiv durch Anspannung und Wegdrücken des Rückens aus. Ein unpassender Sattel kann eine Trageerschöpfung in kürzester Zeit auslösen.
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Das Pferd muss die Last des Reiters tragen. Wenn der Reiter zu schwer ist (wobei die Tragegrenze je nach Pferd und Ausbildungsstand variiert) oder unausbalanciert sitzt (z.B. nach hinten kippt), wird die Last in einem ungünstigen Winkel auf den Pferderücken gepresst.
3. Management- und Gesundheitsfaktoren
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Mangelnde Futterqualität: Fehlen dem Pferd wichtige Nährstoffe (Proteine, Vitamine), kann es keine Muskulatur aufbauen oder erhalten.
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Medizinische Probleme: Verspannungen oder Schmerzen z.B. im Hufbereich (z.B. falsche Bearbeitung, zu lange Intervalle) oder Probleme im Beinapparat führen zu Schonhaltungen. Das Pferd kompensiert die Schmerzen durch falsche Belastung, was direkt zu einer Fehlhaltung des Rückens führt.
Wie erkennt man Trageerschöpfung?
Die Trageerschöpfung entwickelt sich schleichend. Du erkennst sie an einer Kombination aus äußerlichen und Verhaltenssymptomen:
1. Äußerliche Merkmale
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Abgesunkener Rumpf ("Löcher" hinter dem Schulterblatt): Dies ist das offensichtlichste Zeichen. Die Rumpf ist rein muskulär an den Vorderbeinen aufgehangen, es gibt keine knöcherne Verbindung, ist diese Muskulatur nicht kräftig genug um die Last des Reiters zu tragen, sinkt der Rumpf zwischen den Schulterblättern ab und ein "Loch" hinter den Schulterblättern entsteht.
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Muskelschwund: Die wichtigsten Tragemuskeln bauen ab
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Rücken: Die Muskulatur entlang der Wirbelsäule wirkt dünn, hart und eingefallen.
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Oberhals: Der Hals ist dünn, lang und oft tief angesetzt (Unterhalsmuskulatur ist stärker), manchmal auch in Kombination mit einem "Axthieb".
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Kruppe/Hinterhand: Die Oberschenkel- und Kruppenmuskulatur ist wenig ausgeprägt, da die Hinterhand nicht aktiv unter den Schwerpunkt tritt. Jedoch tritt die Hosenmuskulatur (M. semimembranosus, M. semitendinosus) oft deutlich hervor und ist überlastet.
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Hervorstehender Widerrist: Durch das Absinken des Rückens wirkt der Widerrist oft überproportional hoch.
2. Verhaltenssymptome
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Verkürzte Tritte: Das Pferd ist nicht bereit, mit der Hinterhand aktiv unter den Körper zu treten. Die Schritte sind kurz und eilend.
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Schmerzreaktion beim Satteln/Bürsten: Das Pferd reagiert empfindlich in bestimmten Bereichen und beim Satteln (Wegdrücken, Beißen, Anlegen der Ohren).
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Harter, fester Rücken: Beim Reiten fühlt sich der Rücken nicht schwingend, sondern steif und hart an. Es ist nur sehr schwer möglich Pferde in Trageerschöpfung auszusitzen
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Flucht vor der Zügelanlehnung: Das Pferd weicht der weichen Hand des Reiters aus, nimmt den Kopf hoch, hat einen unruhigen Kopf oder rollt sich hinter der Senkrechten ein, um dem Druck zu entkommen.
Welche Folgen hat Trageerschöpfung?
Die Trageerschöpfung führt zu chronischen Schmerzen, was eine tierschutzrelevante Missachtung darstellt. Es kann auch zu folgenden irreversiblen Schäden führen:
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Kissing Spines (KS): Durch das Absinken des Rückens rücken die Dornfortsätze der Wirbelsäule gefährlich nah aneinander oder berühren sich. Die ständige Reibung und der Druck führen zu Knochenzubildungen, Entzündungen und chronischen, massiven Rückenschmerzen.
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Degenerative Gelenkerkrankungen: Die durch die Fehlhaltung entstehenden Kompressionen und die fehlende Schwingung führen zu einem erhöhten Verschleiß der Gelenke in der Wirbelsäule und den Extremitäten.
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Psychische Schäden: Das ständige Schmerzempfinden führt zu Resignation, Apathie oder Aggressivität. Das Pferd verliert die Freude an der Bewegung und das Vertrauen in den Menschen.
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Vorzeitige Unreitbarkeit: Im schlimmsten Fall kann die Trageerschöpfung zu einer so starken Schädigung führen, dass das Pferd dauerhaft unreitbar wird.
Trageerschöpfung ist ein Signal des Körpers, dass die Anforderungen des Menschen nicht pferdegerecht erfüllt werden. Sie erfordert eine sofortige Korrektur des Trainings, der Ausrüstung und des Managements.
